Biotechnologie in Gesundheit und Ernährung - Impulse fürs Leben

Noch immer kann nur ein Bruchteil der bekannten Krankheiten therapiert werden. Entsprechend groß ist das Potenzial für die rote Biotechnologie, also für den Einsatz von Biotechnologie in der Medizin. Mit ihrer Hilfe lassen sich diagnostische Verfahren entwickeln, Fortschritte in der regenerativen Medizin erzielen und Wirkstoffe gewinnen, die sonst nur in sehr geringer Menge oder unzureichender Reinheit herstellbar wären.

Medikamente

Nervenzellen unter dem Elektronenmikroskop /
Foto: Jürgen Berger, Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, Tübingen

Viele biotechnologische Produkte sind schon seit Längerem auf dem Markt, beispielsweise Interferone für die Therapie von Hepatitis B und C oder Multipler Sklerose. Weitere bekannte Beispiele: Erythropoietin gegen Blutarmut sowie Insulin zur Behandlung von Diabetes. Dieser Wirkstoff ist ein natürliches Hormon der Bauchspeicheldrüse und wird heute in gentechnisch veränderten Bakterien oder Hefen hergestellt. Dazu wurde das menschliche Insulin-Gen auf die Mikroorganismen übertragen. Diese bilden ein Insulin, das mit dem aus der menschlichen Bauchspeicheldrüse identisch ist. Wollte man es ohne Hilfe der Biotechnologie produzieren, würden für die Jahresdosis von 100 000 Diabetikern die Bauchspeicheldrüsen von drei Millionen Rindern oder 14 Millionen Schweinen benötigt. Zudem birgt die Verwendung tierischen Materials in der Medizin die Gefahr einer Übertragung von Krankheiten. Biotechnologisch hergestelltes Humaninsulin ist wesentlich verträglicher und kann durch punktuelle Veränderung des Insulin-Gens in den produzierenden Mikroorganismen sogar in seiner Wirksamkeit gesteigert werden.

Allerdings können nicht alle Wirkstoffe von Mikroorganismen hergestellt werden, etwa weil sie einen Aufbau besitzen, für den in Mikroorganismen keine „Werkzeuge“ existieren. Als Alternative bietet sich hier die Produktion in Tieren oder Pflanzen an. Seit 2006 ist beispielsweise ein blutgerinnungshemmender Wirkstoff, das Antithrombin, auf dem Markt, welcher aus der Milch gentechnisch veränderter – so genannter transgener – Ziegen gewonnen wird.

Chancen für die Medizin

Film: "Biotechnologie Made in Germany - Chancen für die Medizin"
Herausgeber: Bundesministerium für Bildung und Forschung
Redaktion: Reinhardt Brüning
Gestaltung: Fraunhofer-Institut IAIS, Sankt Augustin

Impfstoffe

Mit gentechnischen Methoden lassen sich nicht nur Medikamente, sondern auch Impfstoffe gegen Erreger herstellen, gegen die bislang kein Schutz bestand. Beispiel Gebärmutterhalskrebs: Er ist vielfach auf das Humanpapilloma-Virus (HPV) zurückzuführen. Jedes Jahr werden in Deutschland 6 500 Neuerkrankungen diagnostiziert, 2 400 Frauen sterben im gleichen Zeitraum an dieser Tumorart. Seit März 2007 empfiehlt die ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut die Impfung gegen HPV für alle Mädchen von 12 bis 17 Jahren mit einem gentechnisch gewonnenen Impfstoff – dies ist das erste Mal, dass ein Impfstoff gezielt und erfolgreich zur Krebsverhütung entwickelt wurde.

Gentherapie

Während Medikamente oft nur die Symptome lindern, setzt die Gentherapie bei den Ursachen der Erkrankung, nämlich auf der Ebene des Erbmaterials an. Weltweit werden Forschungsarbeiten zur Gentherapie von Körperzellen, der somatischen Gentherapie, vorangetrieben (griechisch Soma = Körper). Diese Form der Therapie führt zu einer genetischen Veränderung der Körperzellen, ist aber nicht vererbbar. Besonders im Bereich der Stoffwechselkrankheiten knüpfen sich hieran große Erwartungen. Diese Krankheiten beruhen zumeist darauf, dass körpereigene Substanzen wie Enzyme in der falschen Menge oder fehlerhaft hergestellt werden. Deshalb versucht man, durch gezieltes Einbringen des korrekten genetischen Bauplans in die Körperzellen, eine normale Produktion der jeweiligen Substanzen zu erreichen.

Diagnostik

Einen entscheidenden Beitrag leistet Biotechnologie ebenfalls in den Bereichen Diagnostik sowie biomedizinische Forschung, und zwar sowohl in der anwendungsbezogenen als auch der Grundlagenforschung. Gut ein Drittel aller DiagnostikaDiagnostika
Mittel zur Erkennung und Beurteilung von Erkrankungen. Je exakter die Diagnose ist, desto Ziel gerichteter kann in den meisten Fällen die Therapie erfolgen.
und biomedizinischen Reagenzien wird biotechnologisch hergestellt – Tendenz steigend. An Bedeutung gewinnen darüber hinaus Verfahren, bei denen Krankheitserreger dadurch erkannt werden, dass man selbst geringste Spuren ihres Erbmaterials nachweist. Mithilfe gendiagnostischer Verfahren sind zudem weitere Fortschritte bei der Unterscheidung verschiedener Tumorarten als Grundlage für eine zielgerichtete Therapie zu erwarten. Angewandt wird ein solches Verfahren bereits bei einem Antikörper gegen Brustkrebs. Hierbei lässt sich durch einen vorgeschalteten Test ermitteln, bei welchen Patientinnen dieser Antikörper wirksam sein sollte.

Regenerative Medizin

Ein Einsatzbereich mit großer Zukunft ist schließlich die regenerative Medizin. Ziel ist es, aus körpereigenen Zellen des Patienten in der Kulturschale Gewebe zu züchten (Tissue Engineering), um daraus wiederum maßgeschneiderte, verträgliche Implantate herstellen zu können. Bei Herzklappen, Gefäß- und Knorpelgewebe konnte die Forschung beachtliche Fortschritte erzielen. Schon mit Erfolg praktiziert wird die Kultur und Vermehrung von Stammzellen, zum Beispiel zur Therapie von Blutkrebs.

Ernährung

Über die medizinische Behandlung und Vorsorge hinaus hängt gesundes Leben stark von der Ernährung ab. Lebensmittelzusatzstoffe wie etwa Vitamine werden bereits häufig mithilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen produziert. Viele dieser gesundheitsfördernden Zusätze sind durch biotechnologische Verfahren überhaupt erst für die Lebensmittelherstellung in ausreichender Menge verfügbar. Experten schätzen, dass in den nächsten Jahren der Anteil an solchen „funktionellen Lebensmitteln“ weiter zunehmen wird. Sie sollen beispielsweise das Immunsystem stärken oder gezielt dabei helfen, Mangelerscheinungen oder Alterserkrankungen vorzubeugen.

Auch Enzyme unterstützen eine gesunde Ernährung, zum Beispiel Lactase, die Milchzucker (Lactose) in seine Bestandteile Glucose und Galactose spaltet. Viele Erwachsene vertragen keinen Milchzucker, da ihr Lactase-Gen nicht mehr aktiv ist. In Deutschland sind zwischen 15 und 25 Prozent der Bevölkerung von dieser Laktoseunverträglichkeit betroffen. Zur Herstellung laktosefreier Milchprodukte wird den Nahrungsmitteln daher biotechnologisch produzierte Lactase zugesetzt.

Biotechnologie

Infoblatt

Von der Idee zur Therapie: Wie ein Medikament entsteht

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