Glykobiotechnologie

Energiegehalt, Süßigkeiten, Übergewicht und Karies – daran denken viele beim Stichwort Zucker. Doch darin erschöpfen sich dessen Funktionen und Auswirkungen bei Weitem nicht, sind Zuckerverbindungen doch aus biologisch-medizinischer Sicht ungemein vielseitig und interessant.

Schematische Darstellung des für die Blutbildung verantwortlichen Hormons Erythropoetin. Für sein Funktionieren sind die fein verästelten Zuckerstrukturen eine wichtige Voraussetzung.

Nicht zuletzt wegen der großen Komplexität von Zuckerstrukturen beschäftigte sich bis vor wenigen Jahren nur eine geringe Zahl an Chemikern und Biochemikern mit deren Bedeutung für die biologische Regulation. Erst wichtige technische Neuerungen – zum Beispiel in der Strukturanalyse von Zuckerkomplexen oder die Möglichkeit, komplexe Zuckerstrukturen im Labor aufzubauen – machten die Erkenntnissprünge der vergangenen Jahre möglich.

Die Glykobiologie widmet sich der Erforschung der Funktionen von Zuckermolekülen in Lebensvorgängen, denn sie sind viel mehr als „nur“ Energielieferant. Komplexe Zuckerstrukturen kommen als Modifikationen auf der Oberfläche von Proteinen (Glykoproteine) oder in Zellmembranen (Glykolipide) vor und spielen aufgrund der beträchtlichen Variationsmöglichkeiten eine wichtige Rolle unter anderem bei Zellkommunikation, Immunantwort und Gewebeorganisation. Für eine ganze Reihe von Erkrankungen, wie beispielsweise Krebs, Infektionen oder Entzündungen, ist es mittlerweile gelungen, spezifische Muster von Zuckerstrukturen auf der Oberfläche der betroffenen Zelle zu beschreiben. Solche „verräterischen“ Zuckerstrukturen erschließen neue Wege in der Diagnostik oder können als Angriffspunkt für neuartige Therapien genutzt werden.

Erkenntnisse der Glykobiologie setzt die Glykobiotechnologie für die Medizin industriell um, etwa bei der biotechnologischen Herstellung eiweißbasierter Medikamente (Insulin oder Erythropoietin). Durch optimierte Produktionsstämme werden die Eiweißmoleküle gleichzeitig mit einer passenden Zuckerstruktur ausgestattet und besitzen dadurch eine deutlich verbesserte Wirksamkeit. Darüber hinaus liefert die Glykobiologie Impulse für innovative Biomaterialien, die in Implantaten oder Prothesen eingesetzt werden können. Eine gezielte Oberflächengestaltung mit Zuckerstrukturen trägt dazu bei, die Verträglichkeit der eingesetzten Materialien zu erhöhen.

Angesichts derartiger Fortschritte will das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) den neuen Förderschwerpunkt „Glykobiotechnologie“ mit insgesamt 20 Millionen Euro unterstützen. Zugleich soll eine international herausragende Exzellenzentwicklung mit Spitzenkräften aus dem In- und Ausland etabliert werden.

Biotechnologie
Foto: Konstantin Gastmann/aboutpixel.de

Wenn Wissenschaft auf Zucker setzt

Weitere Informationen zur Glykobiotechnologie, zu zentralen Fragen der Forschung und Förderaktivitäten in diesem Bereich bietet das Portal biotechnologie.de.